Gedanken zum Hochfest Kreuzerhöhung
Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat
von Pater Jörg Weinbach OT
Geistlicher Assistent der Ballei Deutschland
Zweimal im Jahr lenkt die Liturgie der Kirche unseren Blick auf das Kreuz unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. An Karfreitag und am 14. September, dem Fest Kreuzerhöhung.
Während das Kreuz aber an Karfreitag vor allem als Ort des Leidens Christi erscheint, überschattet von der Finsternis des Todes, leuchtet es an Kreuzerhöhung als Siegeszeichen auf, erstrahlt im Licht der Auferstehung.
Dem entsprechen auch die Evangelien der beiden Tage. So hören wir an Karfreitag die Passion nach Johannes. An Kreuzerhöhung wird uns dagegen aus dem gleichen Evangelium jener Teil des Nikodemus-Gespräches verkündet, in dem Christus selbst verheißt: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“ (Joh 3, 14-15) Im Hintergrund steht die Rettung der Israeliten vor den Giftschlagen, die Gott als Strafe für ihren Undank und ihre Auflehnung in ihr Lager gesandt hatte. (Vgl. Num 21, 4-9)
Wie nun der Blick auf die Schlange, die Mose auf Gottes Geheiß an einer Stange aufhängte, vor dem Gift der Schlange und damit vor dem irdischen Tod schützte, so rettet der vertrauensvolle Blick auf den Gekreuzigten vor dem Gift der Sünde, vor dem ewigen Tod. Denn „vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben“ und „der Feind, der am Holz gesiegt hat, wurde auch am Holze besiegt durch unseren Herrn Jesus Christus.“ (Präfation von Kreuzerhöhung) Deshalb ist das Kreuz, jenes Marterinstrument des Karfreitags, für uns das Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht schlechthin, das Zeichen des Sieges Christi über Sünde und Tod.
Diese Sichtweise des Kreuzes wird aber seit jeher abgelehnt und verlacht, wie ein Graffiti aus dem frühen 2. Jahrhundert zeigt, das in einer antiken Kaserne auf dem Palatin in Rom gefunden wurde, sich aber auch heute als Karikatur in einer Zeitschrift finden könnte. Es ist die erste Kreuzesdarstellung, die wir kennen. Abgebildet ist ein Gekreuzigter mit Eselskopf und ein Soldat, der unter dem Kreuz steht; dazu der Spruch: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Offenkundig sollte ein Soldat, der Christ war, wegen seines Glaubens verspottet werden. Für seine Kameraden war das Kreuz ein Folterinstrument und jeder, der daran starb, ein Gescheiterter. Und wer an so einen glaubte und ihn auch noch als Gott verehrte, der war für sie ein Narr.
Für Alexamenos aber war das Kreuz kein Zeichen des Scheiterns, der Niederlage, sondern das Zeichen der Hoffnung, das Zeichen des Sieges Christi über den Tod. Und zwar nicht nur über seinen eigenen Tod, sondern über den Tod schlechthin. Denn Alexamenos glaubte mit der Kirche, dass Christus, als er sein Kreuz trug, in Wirklichkeit unser Kreuz getragen hat, unsere Sünden und unsere Schuld. Diese hat er am Kreuz gesühnt, indem er, der ohne Sünde war, sein Leben hingab und so den Sündern, die auf ihn vertrauen, das Leben erwarb. Er, der den Tod überwand, weil er das Leben selber ist.
Diese Sichtweise wird abgelehnt und verlacht, weil sie der Logik unserer Welt widerspricht, die ihre ganze Hoffnung auf Besitz und Macht richtet und letztlich selbstzentriert und egoistisch ist. Das Kreuz aber zeugt von einer anderen Logik: Von der Logik der Liebe, die in der Selbsthingabe, in der Aufopferung für andere ihre Vollendung findet, weil sie den anderen und sein Wohlergehen in den Mittelpunkt stellt.
Daher verehren wir das Kreuz Christi, denn es offenbart die Liebe jenes Gottes, der für uns und zu unserem Heil seine Ewigkeit verlässt, um uns durch seinen Tod das Leben zu schenken. Und es lädt uns ein, unser Leben nach dieser Logik umgestalten zu lassen.
In diesem Sinn erinnern uns die Lebensregeln der Schwestern:
„`Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. ́ (Mk 8,34–35)“ (LR 7)
Und sie fahren dann fort:
„Christus hat sich für uns dem Tod am Kreuz ausgeliefert. Verwirkliche auch du in deinem Leben die selbstlose Liebe.“ (LR 7)
Und die Brüderregel mahnt:
„Dein Leben soll zeigen, dass das Menschenherz erst zur Ruhe kommt, wenn alle Dinge `im Herrn ́ gelebt und erfahren werden: in selbstloser Liebe, im Glauben an den Sinn des Kreuzes und in der Hoffnung auf die Auferweckung.“ (BR 12)
„Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt“, mit diesem Ruf, werden wir am Karfreitag aufgefordert, das Kreuz zu verehren, weil das Kreuz für uns nicht Zeichen des Scheiterns, des Todes ist, sondern das Zeichen des Sieges Christi, das Zeichen auch unseres Sieges, wenn wir auf ihn vertrauen. Daher ist es zum Zeichen der Christenheit geworden, zum Zeichen all jener, die an Christus glauben und ihm nachfolgen.
Deshalb hat auch unser Orden das Zeichen des Kreuzes gewählt, um in ihm auszuziehen:
„Unter diesem Zeichen der Liebe Gottes wollen wir den Menschen helfen und sie zu Christus führen. Uns sei das Kreuz Kraft und Stärke im Leben, Trost und Zuversicht im Sterben, Ehre und Ruhm in alle Ewigkeit.“ (BR 63 u. LR 52)
Daher ist das Fest der Kreuzerhöhung das Titelfest unseres Ordens - man könnte auch sagen unser Namenstag. Das Geheimnis des Kreuzes soll in unserem Leben aufstrahlen, denn der daran gehangen hat, ist das Heil der Welt.
Zweimal im Jahr lenkt die Liturgie unseren Blick auf das Kreuz. Wir aber sollten stets auf den blicken, der für uns am Kreuz erhöht ist, und ihn, der für uns gestorben und auferstanden ist, wie Alexamenos anbeten. Denn ihn zu betrachten ist der Weg zum Leben. Verlieren wir ihn daher nie aus dem Blick.
Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, wünsche ich ein gesegnetes Hochfest Kreuzerhöhung.